Herz
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Im Einklang.

Und wieder verschluckt sie mich.
Die große Stadt, die meinen Namen nicht kennt.
Weil sie einfach zu viele kennt.

Sperrt ihr Maul ganz weit auf, legt sich auf die Lauer..und wartet auf den richtigen Moment.
Den, an dem ich die Rückleuchten des Autos nicht mehr sehen kann.
Den, an dem ich wieder allein bin.

Sie atmet mich ein, und schießt mich mit den tausend Menschen und Eindrücken um mich herum, tief hinunter in ihren Schlund.
Unzerkaut.
Scheinbar habe ich die letzten 3 Tage in einer Blase gelebt, so unwirklich kommt mir auf einmal alles vor.
Viel zu laut, zu bunt, zu schrill.
meine augen brennen. Ich kneife sie zusammen, ignoriere dabei die kleinen Tränen in den Winkeln und schiebe alles auf den Gegenwind, der mir ins Gesicht peitscht.

Automatisch setze ich einen Schritt vor den anderen, laufe die Straße wieder runter, die wir vor ein paar Minuten erst hinaufgelaufen sind und bleibe stehen.
Drehe mich um, in der Hoffnung vielleicht doch noch etwas zu erkennen…doch das Auto, in dem du jetzt sitzt, ist längst weg.
Und obwohl ich das genau wusste und mir selbst über die Utopie im klaren war, noch einen Blick zu erhaschen..sticht es ein bisschen im Herzen.

„Immer dieses vermissen.
Verdammte Fickscheiße, wer hat das erfunden?“
(- Mein Herz schaltet sich ein und meldet sich lautstark zu Wort. Die ganze zeit hat es sich zusammengerissen, um mir den Abschied nicht allzu schwer zu machen..aber jetzt platzt ihm einfach der Kragen.)

„Herz, ich weiß es doch auch nicht. Aber was bringt es dir, jetzt die ganze Zeit rumzufluchen und die Umstände zu verteufeln, die nunmal zur Zeit nicht zu ändern sind? Sei doch vernünftig!“
(- Na super, das musste ja so kommen. Kaum gibt Frau Herz einen Mucks von sich, sieht Herr Kopf sich gleich wieder gezwungen, dies mit seinem persönlichen Senf zu quittieren. Na das wird jetzt ein Spaß…. .)

„Klappe, Kopf. Du immer mit deiner scheiß Vernunft. Ich pöble so viel ich will und verdammte Hacke, ich hab ja wohl auch allen Grund dazu!“
(- Was soll ich sagen. Es hat recht.)

„Aber wir wussten doch vorher, auf was wir uns da einlassen. Fernbeziehungen sind nunmal kein Zuckerschlecken, vor allem was die Abschiede angeht. Und komm, etwas neues ist es für uns auch nicht, wir kennen das doch eigentlich schon zu genüge.“
(- Was soll ich sagen. Er hat auch recht.)

„Aber…aber es fühlt sich eben so richtig an, verstehst du? Mal ganz ohne Vernunft, einfach nur Gefühl. Es stimmt. Es ist gut. Warum muss man dann nach ein paar Tagen wieder darauf verzichten?“
(- das Wort „verzichten“ brennt gerade wie Feuer auf und unter meiner Haut…)

„Weil Menschen immer genau das wollen, was ihnen gut tut. Bei einigen ist es Musik oder tolles Essen, ein Hobby oder bei manchen auch Alkohohl oder Drogen. Dinge, die ihnen das Leben (bei den Drogen vermeintlich) verschönern, sollten am besten immer vorhanden und greifbar sein. Auch die Liebe. So sind sie nunmal, die Menschen. Klingt komisch, ist aber so.“
(- Klingt komisch, ist aber so.)

Der Fahrradfahrer, der mich fast über den Haufen fährt, weil so nah an meiner Nase vorbei, reißt mich aus diesem Zwiegespräch und ich bemerke, dass mich meine Roboterbeine schon bis zur Ubahn-Station getragen haben. Ich lief den Weg, ohne es auch nur ansatzweise zu registrieren.
Das Gespräch zwischen Frau Herz und Herr Kopf hängt mir nach und ich komme gerade auf keinen klaren Gedanken.
Ja, es ist gut.
Verdammt gut sogar.
Eigentlich habe ich schon nicht mehr daran geglaubt, diesen Zustand noch einmal zu erleben.
Dieses gefühlte „3cm-über-dem-Boden-schweben“, dieses Lächeln, dass ich unbewusst den ganzen Tag auf meinen Lippen durch die Welt trage.
Dieses glück.
Weil da plötzlich jemand ist, der mir wieder allen Grund dazu gibt.
Der mich nicht nur so sieht, wie er es gerne hätte oder wie es ihm am besten passt.
Der mich durch Augen und mit einer Lebenserfahrung sieht, die ich manchmal selber gerne hätte.
Und jetzt ist es da. Verdammt…ja.

Mit diesem Gedanken und dem sich unweigerlich wieder entfaltenden kleinen Lächeln, steige ich in meine Bahn und suche mir den ruhigsten Platz.
Von den paar Stationen die ich fahre, nehme ich kaum etwas wahr. Und wenn doch, dann sind es die anderen Menschen um mich herum.
Ein junger Typ mit Fahrrad, der an der Tür steht und so sehr in seine Musik vertieft ist, dass er leise mitsingt. Ein Ehepaar mit vollen Einkaufstüten, das darüber philosophiert, was es wohl gleich zum Abendessen gibt und wer danach mit dem Spülen dran ist.
Oder das bezopfte Mädchen mit den roten Haargummis, das mich die ganze Zeit anstarrt.
Wie alt mag sie wohl sein..10, 11?
Sie starrt ohne mit der Wimper zu zucken, mustert mich von oben bis unten…und wirft mir, kurz bevor sie aussteigt, ein Lächeln zu, dass echter und liebevoller nicht sein kann.
Und mich noch mehr aus der Bahn wirft. Wie perplex winke ich ihr zu.
Sie nickt.

Ich steige an meiner Station aus, laufe die Treppen nach oben, mache den obligatorischen Gang zu meinem Lieblings-Späti-Mann..und gehe nach Hause.
Die Stufen, die wir vor ein paar Stunden zusammen leichtfüßig runterliefen, kommen mir plötzlich endlos vor.
Ich schließe die Tür auf, betrete meine Wohnung…und da ist nichts.
Alles ist totenstill.
Nur der Gesang einiger Vögel aus den großen Bäumen im Hof, dringt durch meine geöffneten Fenster.
Nie kam mir die Wohnung so leer vor.
Die Räume, die du vor kurzem noch durch deine Stimme und dein Lachen erfüllt hast, sind plötzlich ruhig.
Aber nicht unheimlich, sondern auf eine gute Art und Weise.
Eine, die mir nichts von „Abschied“ oder „Schmerz“ erzählt.
Eine, die sich nicht unaufhörlich in mein Herz bohrt, um danach noch genüßlich mit dem Salzstreuer über die frischen Wunden zu tänzeln.

Sondern eine, die meinen Blick auf meine rechte Hand lenkt.
Auf meine Hand und das Symbol daran, dass alles nicht nur gut ist..sondern immer sein wird.
Eine, die hinter das Wort „Abschied“ ein „…nur auf Zeit!“ stellt. Und dabei genau weiß, wie recht sie hat.
Egal, was auch kommt.
Und egal, was auch passiert.

Ich habe solange gewartet.
Vielleicht auch unbewusst, und ohne das genaue Ziel dieser Erwartung zu kennen.
Aber immer, auf so etwas wie das.
So etwas wie wir.
Und genau deswegen sind ein paar popelige Wochentage nur noch Firlefanz… .

Mein Feuerzeug leuchtet auf, entzündet die Zigarette…und mit dem ersten Zug, dem ersten Ausblasen des Rauches, verschwindet der Schmerz.
Im Kreislauf der großen Stadt, bin ich wieder ganz oben angekommen..und dafür bereit, dass sie mich in die Welt entlässt.
Neu und frisch.

Und mit Herz und Kopf im Einklang.

2 Kommentare

  1. Mehr, was jemals ein Mund zu sagen im Stande wäre.
    Mehr, das Augen jemals im Stande wären zu sehen.
    Mehr, als jemals ein einzelnes Herz fühlen könnte.

    Ich denke, du solltest das wissen… . ! <3

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